Es existieren viele Vorurteile gegenüber Jugendlichen. Sie würden nur Alkohol und Drogen konsumieren, sässen nur vor Computern und Fernsehern, wären faul, respektlos, gewalttätig, trotzig und schwer zu motivieren. Ausserdem sagt man, sie könnten nicht mehr ohne Internet und Handy miteinander kommunizieren. Mit solchen Vorurteilen wollen wir jetzt aufräumen.
Hier kommen 610 Berner- und 70 Fiescherjugendliche zusammen. Gemeinsam treiben wir Sport und verbringen unsere Freizeit zusammen. Nach all der negativen Berichterstattung über Gewalttaten, Botellòns und die generelle Verwahrlosung von jungen Menschen könnte man meinen, ein Lager mit mehreren hundert Jugendlichen würde schnell ins Chaos ausarten. Nichts da!
„Regeln ausnahmslos eingehalten!“
Die Lagerregeln besagen: Keine Drogen und kein Alkohol. „Diese Regel wird ausnahmslos eingehalten“, sagt Lagerleiter Kurt Bachofner. Das Risiko, nach Hause geschickt zu werden, ist viel zu gross und das will keiner. Man muss den Zusammenhalt unter Freunden nicht durch Drogen und Alkohol besiegeln, denn die Freundschaft wird durch gemeinsame Aktivitäten gestärkt. In unserer Freizeit gehen wir mit Freunden ins Dorf oder reden über unsere Erlebnisse vom Tag. Kommunizieren ist das, was wir am meisten im Lager machen. Wir haben viele Freunde hier kennengelernt und freuen uns jedes Mal, sie wiederzusehen. Draussen sitzen und quatschen ist für uns das Schönste „im Fiesch“. Handy, Computer und Fernseher sind dazu überflüssig. Es gibt viel zu viele andere Möglichkeiten und Faulheit ist in einem Sportlager kein Thema.
Es gibt auch Ausnahmen
Im Fiescherlager ist die Hierarchie weniger streng als in der Schule. Wir dürfen die Leiter duzen, was zu einem kollegialen Verhältnis führt. Mangel an Respekt gegenüber den Leitern kommt selten vor. Kinder und Leiter sind gleichwertig: Wir essen am gleichen Tisch, geniessen gleich viel Komfort und haben den gleichen Tagesablauf. Wir leben recht harmonisch miteinander. „Seit ich Lagerleiter bin, gab es keinen Fall von körperlicher Gewalt“, erzählt uns Kurt Bachofner. Unserer Meinung nach hätten gewalttätige Jugendliche ohnehin keinen Platz im Lager, weil die Kinder hier motiviert sind und mitmachen. Allerdings kommt Gewalt in Form von Mobbing vor. In der Regel haben diese Fälle Vorgeschichten, das heisst diese Kinder wurden schon zu Hause gehänselt. Fiesch wird so zu einer Austragungsstätte von bereits existierenden Feindseligkeiten. Wir wissen zwar, dass solche Dinge hier passieren, allerdings haben wir es noch nie erlebt. Wenn man jemanden kennenlernt und ihn nicht mag, geht man ihm aus dem Weg. Leute, die man von zu Hause kennt, kann man schlechter meiden, weil man ihnen öfters begegnet. „Wenn vor allem Acht- und Neuntklässler im Lager sind, ist Mobbing häufiger“, meint die Lagerleitung. „Viele Fälle werden gar nicht gemeldet.“ Das ist schade, aber unvermeidlich, denn auch Jugendliche sind soziale Wesen welche sich behaupten wollen. Immerhin mobben auch Erwachsene.
Wir formen das Lager
Negative Vorfälle dieser Art gibt es im Fieschlager, aber sie sind zum Glück selten. Das kommt daher, dass man selber aussuchen darf, was man machen will. Ausserdem hat man viel Freizeit, die man selber gestalten kann. Wir formen das Lager grösstenteils selber und werden nicht bevormundet. Gewisse Sachen sind vorgegeben (z.B. Schlafens- und Essenszeit) aber trotzdem haben wir unsere Freiräume. Das motiviert wiederum, die Vorschriften einzuhalten. Das schlechte Bild, das die Berichterstattung von uns Jugendlichen zeichnet, führt leider dazu, dass man uns nicht ernst nimmt und uns nichts zutraut. Im Fiescherlager geniessen wir Freiheit und haben viele Möglichkeiten und der Beweis, dass wir damit umgehen können bringen wir jedes Jahr erneut. Es mag Jugendliche geben, bei denen alle Vorurteile zutreffen, doch 680 sind schon mal davon ausgenommen.
Autorinnen: Prisca Rees (14), Maria Kim (15), Kurs Medien